Es ist die Zeit der fünfzigsten Geburtstage. Überall Rückblicke
auf ein ganzes Stück gelebtes Leben. Kinder, die wir quasi schon pränatal
kannten, sind junge Erwachsene. Meine für die Eigentümergemeinschaften
zuständige Bankberaterin habe ich schon als Baby herumgetragen.
Familienhunde, die gefühlt „schon immer“ da waren,
sterben weg. Kleintierhaltung wird aufgegeben, die war vor allem im Kindergarten-
und Grundschulalter der Kinder interessant. Die eigenen Eltern brauchen Hilfe,
es dreht sich, wir haben zwar Kinder, die uns (meistens – unsere sind ja etwas
anders) nicht mehr so sehr brauchen, aber gleichzeitig werden die Großeltern
zum Kind. Deren Windeln kauft man nicht in der Drogerie, sondern in der
Apotheke.
Wir reden über Gleitsichtbrillen, graue Haare,
Haarausfall. Die Männer machen Scherze über die Frage, ob „es“ noch geht. Man
schaut den eigenen Rentenbescheid mit anderen Augen an – so erschreckend kurz
ist die Zeit, in der man noch etwas ansparen könnte, so bedrückend niedrig ist
der Betrag, den vor allem wir Mütter oft zu erwarten haben. Andere wiederum
freuen sich, sie konnten viel ansparen, das Haus ist längst abbezahlt, sie
rechnen aus, ob sie früher aufhören können zu arbeiten.
Ich kaufe nächste Woche Eintrittskarten für Künstler, die
2015 auf ihre letzte Tour gehen – nach 35 Jahren hören sie auf. Ich habe sie
zum ersten Mal gesehen 1991 oder so, also vor unglaublichen 24 Jahren. Kürzlich ergab es sich, dass ich vor einer
topmodernen Vespa stand, der Verkäufer, ein Mittdreißiger, erklärte sie mir, und obwohl er,
offensichtlich geübt im Umgang mit so alten Nostalgikern wie mir, dauernd
betonte, dass er die alten Klassiker so liebe, bemerkte ich sofort, dass für
ihn meine ehemalige Vespa wirklich nur ein Oldtimer wäre. Ist ja auch so, sie
war ungefähr Baujahr 1981.
Das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit ist ein
Dauerthema im Freundes- und Bekanntenkreis. Uns läuft die Zeit davon…. Meine
Nachbarin hat sich nach einer schlimmen Scheidung eine Liste geschrieben,
welche Länder sie noch bereisen möchte, und sie „arbeitet“ die Liste konsequent
ab. Der Göga und ich haben einige Orte auf unserer inneren Liste, die wir sehen
wollen, wieder oder auch neu, auf jeden Fall aber ohne die Kinder im Schlepptau
– bei aller Liebe, aber wir hatten seit zwanzig Jahren keinen Urlaub nur für
uns, das muss jetzt nachgeholt werden. Ich habe sehr, sehr viele Bücher, die
ich in Ruhe und konzentriert und mit Genuss lesen möchte. Ob es nach dem Tod
unserer Hunde noch weitere Hunde geben wird, weiß ich noch nicht. Pferde liebe
ich eigentlich auch, aber ich traue mich nicht mehr, auf so hohen Tiere zu
sitzen.
Unsere Kräfte lassen spürbar nach, die harten letzten
Jahre rächen sich jetzt. Wir passen aufeinander auf, und wir üben uns beide
darin, NEIN zu sagen, wenn zu viele Forderungen an uns gestellt werden: NEIN,
wir können diese Woche keinen Nachmittag freischaufeln für die sehr schwierig
gewordene Schwiegermutter, NEIN, ich komme nicht zu meinen inzwischen sehr
einsamen Eltern, NEIN, ich nehme kein weiteres Problemhaus an, und schon gar
nicht zu einem Sonderpreis, NEIN, heute wird nicht gekocht, wer Hunger hat,
darf sich selbst eine TK-Pizza machen, und so weiter.
So gesehen sind das unsere Wechsel-Jahre, unabhängig von
Hormonen: jetzt wird es (hoffentlich) Zeit, dass wir verstärkt an UNS denken,
die Schwerpunkte und die Sichtweisen haben gewechselt.
(Ob ich die Vespa kaufe oder nicht, ist noch immer nicht
entschieden, aber ein neues Fahrrad gönne ich mir tatsächlich – meines ist
schon ungefähr dreißig Jahre alt und vergleichsweise schwergängig, am Berg habe
ich ziemlich zu kämpfen.)