Sonntag, 18. Januar 2015

Bildung ist frei - studieren kann doch jede(r)!


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Vor sehr vielen Jahren ergab es sich, dass ich direkt nach dem Abitur Richtung Tübingen zog, um dort zu studieren. Ich hätte damals auch pendeln können, die Bahnverbindung zu meinem elterlichen Wohnort war nicht so schlecht wie heute, und natürlich wäre das finanziell viel günstiger gewesen.

Meine Eltern aber hatten mein Zimmer schon verplant, unser Verhältnis war unschön, meine Mutter zählte laut die Tage, die sie mich noch ertragen musste.

Ich gehöre zu einem der geburtenstarken Jahrgänge. Wir Erstsemester saßen auf dem Boden oder kamen gleich gar nicht mehr in den überfüllten Hörsaal. Es gab noch kein Internet, man musste sich alle Informationen sehr mühsam zusammensuchen. Ich war sehr jung, sehr erschöpft und überfordert mit einer völlig unsinnigen Studienwahl, auf Drängen meiner Eltern einer Kombination aus meinem eigentlichen Wunsch und einem „Vernunftfach“.

Meine Eltern hielten mich finanziell sehr knapp. Ich hatte keinen Anspruch auf Bafög. Ich hatte keine Ersparnisse, das Geld, das mein Opa mir immer zu Weihnachten gegeben hatte „für dein Sparbuch“, das war verschollen, und die Einnahmen der letzten Jahre (Ferienjobs und Nachhilfe) hatte ich verwendet für meinen Roller, später das Auto, die Fahrtkosten, den Führerschein und die erste eigene Waschmaschine. Ich musste also sorgfältig wirtschaften.

Natürlich wussten meine Eltern, dass sie das Studium zahlen mussten. Finanziell war das für sie nicht das geringste Problem. Aber meine Mutter war unzuverlässig – der monatliche Scheck kam oft nicht ganz pünktlich, eine Überweisung oder gar einen Dauerauftrag lehnte sie ab. Wenn ich „frech“ gewesen war beim Wochenendbesuch – und „frech“ konnte alles sein, das wusste man vorher nie – dann drohte sie damit, mir den Unterhalt zu streichen, dann könne ich gefälligst arbeiten gehen.

Ich konnte nebenbei nicht genug verdienen, um unabhängig zu sein von den Launen meiner Mutter. Meine Vermieter waren grantig, weil die Miete eben nicht immer am Monatsersten da war. Immer, wenn ich irgendwelche Materialien für das Studium kaufen musste, rechnete ich bange. Außer mir suchten sehr viele Studenten nach Geldquellen, das mit dem Jobben war nicht so einfach. Ich hatte schreckliche Zukunftsangst. Dazu kamen die typischen Erstsemesterprobleme, mir ging die Kraft aus, ich brach das Studium ab, machte eine Berufsausbildung und anschließend nebenberuflich meinen Fachwirt. Das war hart, und es entspricht inhaltlich nicht meinem Anspruch, aber dafür war ich recht schnell finanziell komplett unabhängig von meinen Eltern.

Bedingt durch diese Vorgeschichte könnte ich kotzen, wenn unter anderem in meiner angeheirateten Verwandtschaft der Akademiker behauptet, jeder hätte studieren können. ER sei eben zu seinen Eltern anständig gewesen und habe sich angepasst, das sei doch kein Problem, dann könne man daheim wohnen bleiben und „sich sein Studium finanzieren“. Stimmt, er hat noch mit vierzig im Kinderzimmer gewohnt – finanziell eine kluge Taktik, so kann man viel Geld sparen, vor allem, wenn die Mama dann auch noch dank guter Rente die kompletten Kosten übernimmt („Bub, ich kann doch sowieso nichts mit ins Grab nehmen!“). Richtig selbst finanziert ist diese Variante nicht, freie Kost und Logis macht einen erheblichen Geldwert aus.

Nun machte die große Tochter ihr Abitur und fing ein Studium an – in Tübingen. Sprachwissenschaften und natürlich nebenbei einzelne Sprachen. Ich fuhr sie damals zum Studientag und machte mir einen netten Nachmittag in Tübingen – dort, wo ich einst studiert hatte. Und es überkam mich eine große Trauer.

Meine Kinder sollen es besser haben. Sie sollen ohne finanzielle Ängste studieren können, das ist mir extrem wichtig.

Nun wohnen wir weiter weg von Tübingen als meine Eltern. Mit der Bahn muss man in jedem Fall an einem Knotenpunkt umsteigen. Ein Studium heute ist straffer organisiert, die Vorlesungen fangen teilweise ziemlich früh an, und gehen abends sehr lange. Selbst bei optimalen Bedingungen betrug die einfache Fahrtzeit für die Tochter eineinhalb Stunden.

Es klappte in den ersten beiden Semestern dank eines guten Vorlesungsplans ganz gut mit dem Pendeln. Dann aber erwischte es uns: Nach 20.00 h ist es fast unmöglich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln hierher zu kommen. Selbst mit dem Auto steckt man morgens regelmäßig gleich mehrfach im Megastau. Zwei Stunden und mehr für eine Strecke sind heftig. Es wurde Zeit: unsere Tochter wollte ausziehen.

Nun haben wir ja drei Kinder, und verdienen sicherlich gut, aber auch nicht sensationell. Ich ging ganz naiv davon aus, dass Tochter möglicherweise kein volles Bafög bekommen würde, aber wenigstens einen gewissen Zuschuss, da beim elternabhängigen Bafög sicherlich berücksichtigt würde, dass wir höhere Kosten haben als Einzelkindeltern. Der aktuelle Bafögsatz für Studierende, die nicht mehr bei den Eltern wohnen, liegt bei monatlich € 670,00.

Der Bafögrechner ernüchterte uns schlagartig. Der Zuschuss wird so gering sein, dass man eigentlich nur weinen kann. Unsere Gesamtkosten passen durchaus zu dem Bafögsatz. Es gibt hier keine Studiengebühren mehr, aber die Semestergebühr kostet schon € 140,00, das Ticket für die Öffis, das dringend nötig ist, einiges mehr, dazu kommen Bücher, die man kaufen sollte. Miete, Nebenkosten, Essen – all das summiert sich. Gleichzeitig wurden die Studiengänge „beschleunigt“.  Unsere Tochter ist während des Semesters zeitlich völlig ausgelastet und auch während der Semesterferien beschäftigt. Nur von Ferienjobs in wenigen Wochen pro Jahr könnte sie das Studium nicht ansatzweise finanzieren.

Es wird also aufgrund unserer Einnahmen vorausgesetzt, dass wir mehrere hundert Euro pro Monat übrig haben. Falls – was theoretisch möglich wäre – im nächsten Jahr auch die zweite Tochter auswärts studieren würde, dann eben zweimal knapp siebenhundert Euro. Ist doch Kleinkram….

Ich bin mir ziemlich sicher, dass es viele Familien gibt, bei denen ein Studium an den Finanzen scheitert. Und dann fühle ich mich sozusagen stellvertretend wieder wie damals, mit neunzehn, verzweifelt und frustriert. Deshalb plädiere ich absolut für die Einführung eines elternunabhängigen Bafögs – erschreckend, dass es das immer noch nicht gibt!

Hier ein Link zur Vertiefung:



Sonntag, 4. Januar 2015

Verletzter Hundeopa






Das Jahr 2014 endete bei uns rasant. Besonders der Dezember brachte viele unangenehme Überraschungen. So auch am 30.12.:

Nachts, gegen halb drei Uhr, polterte es im Haus. Ich hörte einen Hund aufjaulen. Dann schrie meine große Tochter, ich solle sofort kommen.

Bruno, der Hundeopa, lag im Keller und konnte nicht mehr aufstehen. Offensichtlich war er bei seinen Demenzwanderungen auf der Treppe ausgerutscht und nach unten gestürzt.

Wir trugen ihn nach oben und legten ihn auf sein Kissen. Er streckte das Bein etwas aus, aber alles sah ganz normal aus. Gleich morgens rief ich unseren Tierarzt an und konnte sofort zu ihm kommen.

„Sofort“ ist relativ. Mit dem Garagenauto war der Göga bei der Arbeit. Das andere Auto wurde bereits seit Tagen heftig eingeschneit, ich musste es erst ausbuddeln. Dann wurde die mittlere Tochter damit beauftragt, Duke, den jüngeren Hund, abzulenken, damit die große Tochter und ich mit Bruno zum Auto gehen konnten – mühsam, durch den Schnee, der kurze Weg von der Haustür bis zur Straße vor zog sich.

Bruno hatte Glück. Es ist nichts gebrochen. Er bekam Spritzen und Schmerztabletten für die nächsten Tage. Auf dem Heimweg wirkten die Medikamente, er war deutlich aufgeweckter, ließ sich aber zur Haustür tragen. Alle Nachbarn wussten nun, dass wir einen Patienten daheim hatten.

Als er aber den Schnee im Garten bemerkte, kehrten die Lebensgeister zurück und er wollte unbedingt spazieren gehen. Bruno liebt Schnee, das ist sein Element. Wie man auf dem Bild sieht, ist er alt geworden, sein Fell grundsätzlich strubbelig, sein Blick oft entrückt, und ohne seine Herztabletten wäre er längst tot – aber es gibt ihn immer noch, den alten Straßenkämpfer.


Namensfindung





„Du musst wieder bloggen“, mahnte meine älteste Tochter immer wieder, „sonst denken deine Leser noch, dass dir etwas passiert ist!“

„Meine drei oder vier Stammleser haben auch auf anderen Wegen Kontakt zu mir und wissen daher, warum es so eine lange Pause gab. Und sonst verirrt sich keiner hierher“, erwiderte ich meistens.

In den letzten Monaten ging es bei uns tatsächlich sehr rund. Man könnte auch sagen, das Leben verlief unrund, es blieb keine Zeit für Blogbeiträge.

Und es fehlte an Inspiration. Der alte Blogtitel passte schon länger nicht mehr. Meine Themen veränderten sich.

„Denk darüber nach, worüber du schreibst, dann wird dir ein Titel einfallen“, riet mir meine mittlere Tochter. Gute Ansatz, aber worüber werde ich schreiben? Woher soll ich das denn jetzt schon wissen?

„Spinnen die alle?“ ist ein Ausruf, den ich ab und zu von mir gebe. Dann, wenn User im Internet zu viel Bullshit von sich geben. Wenn Kunden merkwürdige Vorstellungen haben. Wenn junge Banker mir Käse erzählen. Wenn Handwerker davon ausgehen, dass ich als Frau sowieso keine Ahnung habe. Wenn (oft selbsternannte) Bildungsexperten auf abstruse und praxisferne Ideen kommen.  Wenn junge Eltern alles glauben, was in Fachbüchern steht. Und so weiter.

Ich freue mich über Kommentare – ihr dürft auch gerne meckern und mir erklären, dass ICH spinne :-)